Sky's große Chance
"Herzlich Willkommen!" ihr lieben Tagebuchleser. Ich hoffe ihr erwartet nicht wieder ein Tagebuch mit süßen Babyhunden - zweifellos ist das spannend und niedlich aber Frauchen sagt, jetzt hat mal ein Senior ein Tagebuch verdient. Genau solche wie ich werden nämlich leider oft vergessen - große, alte und auch noch schwarze Hunde. Ich kann es nicht leugnen, ich bin nun mal nicht mehr jung und auch nicht topfit - aber bin ich deshalb nichts mehr wert?
Jedenfalls heiße ich jetzt "Sky", bin ein 8 Jahre alter belgischer Schäferhund und ich war lange Tierheimhund. Ja klar, es gibt so viele süße, junge, kleine Hunde, da hat jemand wie ich keine Chance mitgenommen zu werden - egal wie lieb er ist.
Im Tierheim habe ich ganz schön abgebaut und Frauchen hofft, das sie mich wieder fit bekommt. Also ein Tagebuch mit ungewissem Ausgang, aber ich würde mich freuen, wenn ihr mich ein Stück durchs Leben begleitet.
Natürlich sucht sie auch für mich ein Zuhause wenn ich wieder fit bin - sie liebt wohl Herausforderungen? - und falls ihr nicht nur einen schicken Hund wollt, sondern einen richtig tollen und netten, dann meldet euch bei ihr!
30.09.2013
Ich glaube mein Name, der ja übersetzt "Himmel" bedeutet, war kein gutes Omen. Gestern abend verschlechterte sich mein Zustand wieder rapide und leider war es noch schlimmer als die vorhergehende Nacht. Ich stierte nur noch geradeaus und versuchte Luft zu bekommen. Liegen, Stehen oder Laufen - ich bekam einfach kaum noch Luft aber dafür langsam Panik. Also ging ich an Frauchens Bett und schaute sie mit einem Blick an, der alles sagte. Alles beruhigende Streicheln half nichts mehr und ich konnte mich auch nicht mehr auf den Beinen halten. Sascha meldete uns beim Nottierarzt an und Frauchen fuhr sofort mit mir los. Dort bekam ich erstmal Sauerstoff, doch auch darauf reagierte ich nicht mehr - meine Lungen konnten ihn einfach nicht mehr aufnehmen. Ich weiß das Frauchen immer nur das Allerbeste für mich wollte und nicht das ich mich lange quälen muss, wenn es keine Hoffnung mehr gibt. Sie hat meinen Blick am Bett verstanden und so kraulte sie mir beruhigend den Kopf und ich schlief in ihren Armen ein.
Ich habe gekämpft, habe versucht meine Chance zu nutzen - leider habe ich verloren. Das mir nur noch 5 Tage mit meinem neuen Frauchen bleiben, hätte ich bei meiner Ankunft nicht gedacht. Wenn ihr jetzt denkt: "Die ganze Aktion hat sich ja nicht wirklich gelohnt!" muss ich euch widersprechen. Ich hatte Menschen, die mir Liebe gegeben haben und sich um mich gekümmert haben. Für jemanden wertvoll zu sein, ist ein schönes Gefühl. Und ich konnte mich nochmal frei über die Wiese bewegen, an Bäumen schnüffeln und die anderen Hunde haben mir auch sehr gefallen. Das wäre im Tierheim nicht möglich gewesen - wahrscheinlich wäre ich unbeachtet unter großen Qualen in meinem Zwinger erstickt und beim Saubermachen hätte man mich weggeräumt. Dafür war es der Aufwand wert auch wenn es mir leid tut das Frauchen sich jetzt die Augen aus dem Kopf weint. Mir wäre auch lieber gewesen wieder gesund zu werden und noch ein schönes Zuhause zu finden. Frauchen sagt ich war der Traum von einem Schäferhund und hätte meine neue Familie sehr glücklich und stolz gemacht. Anhänglich, treu, aufmerksam aber in jeder Situation freundlich und gutmütig. Vielleicht bewirkt meine Geschichte wenigstens, das der ein oder andere einem Tierheimhund eine Chance gibt und dabei seinen Traumhund findet. Viele kommen völlig unverschuldet in`s Tierheim und nicht weil sie irgendwelche Macken haben.
Frauchen hat mich nicht aufschneiden lassen, um hundertprozentig zu wissen was ich hatte, denn an meinem Zustand und meiner Entscheidung gehen zu wollen, hätte es ja nichts mehr geändert. Aber die Symptome, die extrem schnelle Verschlechterung und das Nichtanschlagen der versuchten Therapie, legen den Schluss nahe das ich tatsächlich an akuter Leukämie erkrankt war und das Endstadium erreicht hatte. Ich danke allen, die an mich geglaubt haben und versucht haben mir zu helfen.
Euer unvergessener Sky
"Als die Kraft zu Ende ging, war´s kein Sterben, war´s Erlösung."
29.09.2013
Gestern bin ich ja schon tagsüber beim Stehen immer zusammengesackt, weil ich so schwach war. Abends wollte ich gar nichts mehr fressen, war richtig teilnahmslos und legte mich ganz viel hin. Bis jetzt bin ich die Treppe zum Vorbau ja ganz gut allein hoch und runter gelaufen, aber als wir abends nochmal pullern waren, bin ich der Länge nach runter gefallen, weil ich mich nicht mehr halten konnte. Das kam so unerwartet das Frauchen gar nicht so schnell reagieren konnte. Ich blieb auch gleich liegen und wollte nicht mehr aufstehen. Frauchen musste mich hochheben und mit viel Kraft wieder in`s Schlafzimmer bringen. Ich machte ernsthaft den Eindruck, als wöllte ich einfach nicht mehr und Frauchen überlegte, ob es an der Zeit ist mit mir zum Tierarzt zu fahren und mich gehen zu lassen. Nur gut das sie keine vorschnellen Entscheidungen getroffen hat!
Heute morgen ging es mir wieder etwas besser. Hab was gefressen und mich gefreut als sich die kleine Boxerdame für mich interessiert hat. Natürlich geht es mir ganz und gar nicht gut aber ich kann mich auch wieder besser auf den Beinen halten. Gerade war sich ein neuer Hund den Kindergarten anschauen. Weil ich so lieb bin, durfte ich mit raus ihn begrüßen. Frauchen sagt das ich der netteste Schäferhund bin, den sie je kennengelernt hat. Ich bin einfach zu allen lieb. Egal ob fremde Menschen, Kinder, Hündinnen der auch andere unkastrierte Rüden. Ich lasse alle auf das Grundstück und begrüße sie ganz freundlich. Obwohl es mir nicht gut geht, bin ich von den anderen Hunden nicht genervt. Im Gegenteil: Ich freue mich sogar wenn mir jemand liebevoll die Schnauze oder Ohren leckt.
Morgen fahren wir wieder zum Tierarzt und Frauchen sagt das ich da Blut abgezapft bekomme und sie will das bei meinen inneren Organen Ultraschall gemacht wird. Da werde ich rasiert und bekomme "Glibber" auf den Bauch geschmiert. Igitt!!!
Drückt mir die Daumen das was Vernünftiges dabei raus kommt und nichts ganz Schlimmes. 28.09.2013
Mir geht es noch nicht wirklich besser, ehrlich gesagt trotz Behandlung eher schlechter. Ich schnaufe immer noch wie eine Dampflock und in meinen Lungen rasselt es. Alles ist ziemlich anstrengend und es dauert immer lange bis ich mal zur Ruhe komme, obwohl ich mich sehr schlapp fühle. Sogar nachts laufe ich viel rum, bin am Hecheln und finde immer nur kurz Ruhe. Das liegt daran das ich am liebsten stehe, denn im Liegen bekomme ich noch schwerer Luft. Zwischendurch muss ich immer viel Saufen und dann huste ich ganz doll. Kein Wunder, mein Kehlkopf ist ja auch sehr gereizt. Hustentee mag ich nicht und wenn er in mein Futter gekippt wird, fresse ich gar nichts. Ich mag ja manchmal nicht mal meine Wiener, die ich bekomme damit ich die Tabletten fresse. Seit gestern abend bekomme ich immer mal Fenchelhonig in der Spritze, denn den mag ich auch nicht. Hoffentlich habe ich nicht wirklich Leukämie, die Symptome sind ähnlich denen einer Lungenentzündung. Sicherheit werden erst weitere Untersuchungen beim Tierarzt bringen.
Heute war sogar eine ganz liebe Kundin des Hundekindergartens extra wegen mir da und hat mir eine Pflanze zum Fressen gebracht. Jiaogulan, das wächst in China und hilft gegen ganz viele Dinge ohne Nebenwirkungen zu haben. Dort werden prozentual gesehen übermäßig viele Menschen über 100 Jahre alt. Mal sehen, ob das hilft!
Frauchen macht sich jedenfalls sehr große Sorgen um mich und ich nehme es ihr auch nicht übel, das sie mir nun den Hustentee mit der Spitze in die Schnauze macht. Freiwillig trinke ich ihn nicht und sie sagt: Rein muss er. 26.09.2013
Das war gestern ein Tag!!! So was habe ich noch nicht erlebt und ich war abends komplett fertig. Morgens hatten wir Besuch - sogar mit Kind. Selbstverständlich habe ich mich vorbildlich und freundlich verhalten, auch dem Kind gegenüber.
Doch dann ging es richtig los: Ganz viele Zecken wurden mir entfernt und dann lernte ich Kamm und Schere kennen und mir ging es an den verfilzten Pelz. Das Fell im Waschbecken ist nur ein kleiner Bruchteil von dem was ich insgesamt losgeworden bin.
Das war ganz schön anstrengend und hat lange gedauert und war trotzdem nur meine Oberseite. Nachmittag musste ich wieder in`s Auto und wir fuhren zum Tierarzt und dann zum Frauchen von Perla, einer Hündin, die Tagesgast im Kindergarten ist. Das Frauchen macht in Sachen Akupunktur und Physiotherapie für Hunde und Pferde. Alle kuckten mich recht betreten und mitleidig an. Tja, jetzt hat Frauchen eine richtige "Großbaustelle" zum Bemuttern!
Alle meine Lymphknoten sind geschwollen - im allerschlimmsten Fall habe ich Leukämie. Da muss ich später vielleicht noch eine Blutprobe abgeben. Auf alle Fälle habe ich Fieber und eine richtig unschöne Lungenentzündung. Meine Ohren waren auch innen vor lauter Dreck regelrecht verkrustet, so das es beim Saubermachen sogar geblutet hat. Dann ging es mir an mein Fell an Bauch und Hintern und das hat so schrecklich geziept. Dann wurden mir auch noch Krallen geschnitten. Immerhin sehe ich jetzt wieder etwas besser aus.
Durch das nur im Zwinger sitzen, habe ich so gut wie keine Muskeln. Meine Hüfte ist total verschoben und ausgerenkt und in der einen Vorderpfote habe ich ganz schlimm Arthrose. Deshalb stolpere ich auch manchmal über meine Vorderpfoten und kann mich nur schlecht hinlegen und kaum setzen.
Wenn meine Lungenentzündung weg ist, wird die Hundephysiotherapeutin ganz schön mit mir zu tun haben. Als Erstes soll dann die Hüfte eingerenkt werden und das tut wohl ganz schön weh. Aber nachher soll es mir besser gehen.
Ich kann mir schon denken was einigen von euch jetzt durch den Kopf geht: Wäre es nicht besser und billiger den alten, kranken Sack einschläfern zu lassen?
Das ist vielerorts die Stimmung in der heutigen Gesellschaft. Ob bei Mensch oder Tier - alter Ballast soll weg. Frauchen denkt zum Glück nicht so. Alte Menschen haben so viel wertvolle Lebenserfahrung und auch alte Hunde haben noch viel zu geben. Sie gehören nicht aufs Abstellgleis, schließlich werden wir alle mal alt und haben verdient unseren Lebensabend in Würde zu verbringen und geliebt zu werden. Natürlich muss der Mensch rechtzeitig die "Notbremse" ziehen, wenn ein Tier sich nur noch quält. Aber ich habe noch nicht vor den Löffel abzugeben - ich fresse, nehme am Leben teil und bin gewillt meine Chance zu nutzen. 24.09.2013
Im Hundekindergarten gab es nun immer viele Babies und junge Hunde, doch Frauchen wollte endlich mal wieder einen alten Pflegehund zum Bemuttern und Aufpäppeln. Also fuhr sie in`s Tierheim Dluzyna Gorna, von dem sie ja schon einige Hunde übernommen hat. Ältere Hunde gibt es dort natürlich jede Menge aber sie hatte so ihre Vorstellungen. Dann entdeckte sie mich mit noch einem anderen Hund in einem Zwinger und fand das ich ziemlich erbärmlich aussehe. Abgesehen von meinem völlig verfilzten Fell, fiel ihr mein durchhängender Rücken und meine dreckigen Augen auf. Sie fragte ob sie eine Runde mit mir spazieren gehen könne und ich bekam Halsband und Leine. Das Bellen aus den anderen Zwingern interessierte mich nicht und auch die freilaufenden Hunde ließen mich kalt - also wusste sie das ich nicht auf Stress aus bin. Das ist ja sehr wichtig wenn ich mit meiner Größe zu so vielen anderen Hunden soll. Lange ging der Spaziergang leider nicht weil ich oft über meine Vorderpfoten fiel und schrecklich nach Luft japste. Also drehen wir nach nicht mal 5 Minuten um und ich dachte natürlich das ich nun wieder in den Zwinger muss. Doch die wollte mich haben - einen alten, kranken Kerl, für den sich schon lange keiner mehr interessiert hat. Bestimmt weil ich perfekt ohne zu Zerren an der Leine gelaufen bin.
Ich bekam meine Impfbescheinigung, wurde in`s Auto geladen und los ging es. Ich benahm mich vorbildlich als wäre ich schon immer im Auto mitgefahren. Zwischendurch hielt sie noch mal an und ich bekam Zeug was eventuell vorhandene Flöhe tötet. Als wir ankamen war mir auch klar warum: So viele Hunde, alte und junge, große und kleine. Die wollen natürlich keine Flöhe haben. Alle begrüßten mich mehr oder weniger freundlich - naja, manchen war ich einfach zu groß und sie hatten Angst. Aber nach ein paar Minuten war alles OK und ich machte erstmal einen Rundgang durch den Garten und das Haus.
Abends gab es Futter aber ich wollte nichts. Das es mir echt nicht gut geht, sieht ein Blinder mit dem Krückstock. Achso, wenn man was von mir will, muss man mich anstupsen, weil ich wohl fast taub bin.
Morgen werden wir dann zum Tierarzt gehen und dann mal sehen was der zu mir sagt.
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